Der Drahtzieher (House of Spies)

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eBookGerman-language Edition (German-language Edition)

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Overview

London: Ein grausamer Anschlag des IS im Westend kostet unzählige Menschenleben. Ein Beweis für das teuflische Genie von Saladin, IS-Chefstratege und Urheber einiger der verheerendsten Terrorangriffe in Europa und den USA.
Gabriel Allon, legendärer Agent und mittlerweile Leiter des israelischen Geheimdienstes, führt eine multinationale Operation zu Saladins Neutralisierung an. Ihn auszuschalten hat für Allon oberste Priorität. Als bei einem Besuch Allons die Zentrale der französischen Antiterrorgruppe von einer Bombe zerstört wird, ist Gabriel sich nicht mehr sicher, wer Jäger und wer Gejagter ist …

»Der Drahtzieher ist ein absolutes Muss für alle Silva-Fans. Und für alle, die es noch nicht sind, sowieso!« medianet

»Wer Spannung, bestens gezeichnete Charaktere und noch dazu eine gekonnte Analyse des politischen Status Quo im Nahen Osten in Buchform haben möchte, sollte hier zugreifen.« Landeszeitung Lüneburger Heide

»Daniel Silva ist die Ausnahme von der Ausnahme: Ein Autor, dessen Bücher immer besser werden.« The Huffington Post

»Eine harte, aber eben auch mitreißende Lektüre.« Westfalenpost


Product Details

ISBN-13: 9783959677707
Publisher: HarperCollins Publishers
Publication date: 10/01/2018
Series: Gabriel Allon (German Language) Series , #17
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 528
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Daniel Silva ist der preisgekrönte SPIEGEL-Bestsellerautor von 22 Romanen. Seine Bücher sind weltweit von Kritikern gelobte Bestseller und erscheinen in über 30 Sprachen. Er lebt mit seiner Frau, der TV-Journalistin Jamie Gangel, und ihren beiden Zwillingen Lily und Nicholas in Florida.

Date of Birth:

1960

Place of Birth:

Michigan

Read an Excerpt

CHAPTER 1

KING SAUL BOULEVARD, TEL AVIV

Für etwas noch nie Dagewesenes, das mit solchen institutionellen Risiken behaftet war, ging alles ohne viel Aufhebens über die Bühne. Und nahezu geräuschlos. Das war das Bemerkenswerte daran: die operative Stille, in der alles stattfand. Gewiss, es hatte eine dramatische Ankündigung gegeben, die das Fernsehen live übertragen hatte, eine Aufsehen erregende erste Kabinettssitzung und eine opulente Party in Ari Schamrons Villa am See Genezareth, zu der alle Freunde und Mitstreiter aus seiner bewegten Vergangenheit gekommen waren – Geheimdienstchefs, Politiker, ein Monsignore aus dem Vatikan, ein Londoner Galerist und sogar ein unverbesserlicher Kunstdieb aus Paris –, um ihm alles Gute zu wünschen. Aber ansonsten verlief alles erstaunlich glatt. An einem Tag saß Uzi Navot im Büro des Direktors an seinem riesigen Schreibtisch aus Rauchglas, und am Tag darauf hatte Gabriel Allon seinen Platz eingenommen. Verschwunden war jedoch auch Navots moderner Schreibtisch, denn Glas war nicht Gabriels Stil.

Holz gefiel ihm besser. Liebevoll poliertes, altes Holz. Und natürlich Gemälde: Er merkte sehr bald, dass er nicht zehn, zwölf Stunden pro Tag in einem Raum ohne Gemälde zubringen konnte. Außer zwei unsignierten eigenen Bildern hängte er mehrere Werke seiner Mutter auf, die zu ihrer Zeit eine der prominentesten Künstlerinnen Israels gewesen war. Dazu kam ein großes abstraktes Gemälde seiner ersten Frau Leah, das sie während ihrer gemeinsamen Studienzeit an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem gemalt hatte. Am späten Nachmittag konnten Besucher des obersten Stockwerks Opernklänge hören – Puccinis La Bohème war ein besonderer Favorit –, die unter seiner Tür hervordrangen. Diese Musik konnte nur eines bedeuten: Gabriel Allon, der Fürst des Feuers, der Racheengel, Ari Schamrons Ziehsohn, hatte endlich seinen rechtmäßigen Platz als Direktor des israelischen Geheimdiensts eingenommen.

Aber sein Vorgänger blieb in der Nähe. Tatsächlich bezog Uzi Navot das auf dem Flur gegenüberliegende Büro, das einst Schamrons geschützter kleiner Schlupfwinkel gewesen war. Bisher war noch kein verabschiedeter Direktor unter demselben Dach wie sein Nachfolger geblieben. Die neue Regelung verstieß gegen einen der heiligsten Grundsätze des Diensts, der alle paar Jahre einen Neuanfang forderte. Natürlich gab es ehemalige Direktoren, die nicht loslassen konnten. Sie kreuzten gelegentlich am King Saul Boulevard auf, erzählten Geschichten aus dem Krieg, erteilten unerbetene Ratschläge und waren allgemein lästig. Und dann gab es natürlich Schamron, den Unzerstörbaren, den brennenden Busch. Schamron hatte den Dienst von Anfang an nach eigenen Vorstellungen aufgebaut. Er hatte ihm seine Identität, sogar seine eigene Sprache gegeben und hielt es für sein angestammtes Recht, sich dort einzumischen, wie's ihm passte. Es war Schamron gewesen, der Navot zum Direktor gemacht hatte, und der »Alte« hatte ihm den Posten wieder weggenommen, als seine Zeit um war.

Aber es war Gabriel, der darauf bestand, dass Navot mit allen Privilegien seiner bisherigen Stellung blieb. Sie teilten sich eine Sekretärin – die energische Orit, am King Saul Boulevard wegen ihrer Fähigkeit, unerwünschte Besucher abzuwimmeln, als Eiserne Lady bekannt –, und Navot behielt seinen Dienstwagen und so viele Personenschützer wie bisher, was zu leisem Protest in der Knesset führte, aber als friedenstiftende Maßnahme unerlässlich war. Sein genauer Titel war ziemlich vage, was jedoch für den Dienst typisch war. Schließlich waren seine Mitarbeiter von Beruf Lügner, die nur untereinander die Wahrheit sprachen. Allen anderen gegenüber – ihren Frauen, ihren Kindern, den Bürgern, die zu beschützen sie geschworen hatten – tarnten sie sich sorgfältig.

Standen ihre Bürotüren offen, was im Allgemeinen der Fall war, konnten Gabriel und Navot sich über den Flur hinweg sehen. Sie telefonierten jeden Morgen miteinander, trafen sich zum Lunch – manchmal im Kasino, manchmal unter vier Augen in Gabriels Büro – und kamen jeden Abend zu einer kurzen Besprechung zusammen, die bei Gabriels Opernmusik stattfand, die Navot verabscheute, obwohl er aus einer guten Wiener Familie stammte. Navot hatte keinen Sinn für Musik, und die bildenden Künste langweilten ihn. Ansonsten stimmten Gabriel und er in allen Dingen völlig überein, zumindest wenn es um den Dienst und die Sicherheit des Staates Israel ging. Navot hatte durchgesetzt, jederzeit Zugang zu Gabriel zu haben, und bestand darauf, an allen wichtigen Besprechungen auf der Führungsebene teilzunehmen. Im Allgemeinen schwieg er einer Sphinx gleich und saß mit verschränkten muskulösen Armen und schwer zu deutendem Gesichtsausdruck am Tisch. Gelegentlich beendete er jedoch einen von Gabriel begonnenen Satz, als wolle er demonstrieren, dass zwischen sie kein Blatt Papier passte. Sie glichen Boas und Jachin, den beiden Säulen am Eingang von Salomos Tempel, und wer auch nur daran dachte, sie gegeneinander auszuspielen, würde einen hohen Preis zahlen. Gabriel war ein beliebter Direktor, aber trotzdem der Chef des Diensts, der an seinem Hof keine Intrigen duldete.

Intrigen waren allerdings unwahrscheinlich, denn die Männer und Frauen seines Führungsstabs bildeten eine verschworene Gemeinschaft. Alle stammten aus der Eliteeinheit Barak, die einige der spektakulärsten Unternehmen in der Geschichte des an Superlativen nicht armen Diensts durchgeführt hatte. Sie hatten jahrelang in einem Kellerraum gearbeitet, der eigentlich ein Lagerraum für alte Möbel gewesen war. Jetzt arbeiteten sie in Büros, die sich an Gabriels Suite anschlossen. Selbst Eli Lavon, einer der prominentesten Bibelarchäologen Israels, hatte seine Dozentenstelle an der Hebrew University aufgegeben, um in den Dienst zurückzukehren. Normalerweise beaufsichtigte Lavon die Beschatter, die Taschendiebe und die Lauscher, die mit versteckten Kameras und Mikrofonen arbeiteten. In der Praxis setzte Gabriel ihn für alle möglichen Aufgaben ein, wie er's für richtig hielt. Lavon, der beste Überwacher, den der Dienst je hervorgebracht hatte, arbeitete seit dem Unternehmen »Zorn Gottes« mit Gabriel zusammen. Sein kleines Büro mit Ausgrabungsfunden in einer Vitrine war eine Oase der Stille, in der Gabriel sich manchmal für ein paar Minuten erholte. Lavon war nie sehr redselig gewesen. Wie Gabriel arbeitete er am besten geräuschlos im Dunkel.

Einige Veteranen fragten sich, ob Gabriel gut beraten sei, wenn er so viele Loyalisten und Relikte aus seiner ruhmreichen Vergangenheit in den Führungsstab holte. Aber sie behielten ihre Bedenken für sich. Außer Schamron hatte kein anderer Direktor sein Amt mit mehr Erfahrung und einem größeren Vertrauensvorschuss angetreten. Gabriel war schon länger in der Branche als jeder andere und hatte in dieser Zeit ungewöhnliche Freunde und Komplizen gewonnen. Der britische Premierminister verdankte ihm seine Karriere, der Papst sein Leben. Trotzdem war er kein Mann, der rücksichtslos alte Schulden einforderte. Der wirklich Mächtige, sagte Schamron, braucht nie um einen Gefallen zu bitten.

Aber er hatte auch Feinde, die das Leben seiner ersten Frau zerstört und später versucht hatten, seine zweite Frau zu ermorden. Feinde in Moskau und Teheran, für die er das einzige Hindernis bei der Verwirklichung ihrer Pläne war. Vorläufig waren sie besiegt, aber sie würden zweifellos wieder auferstehen. Das galt auch für den Mann, mit dem er sich zuletzt duelliert hatte. Tatsächlich stand dieser Mann auf der To-do-Liste des neuen Direktors ganz oben. Die Computer des Diensts hatten ihm einen willkürlich erzeugten Decknamen zugewiesen. Aber hinter den elektronisch gesicherten Türen am King Saul Boulevard benutzten Gabriel und sein Stab den glorreichen Kampfnamen, den er angenommen hatte. Saladin ... Sie sprachen mit Respekt und gewisser Besorgnis von ihm. Er hatte es auf sie abgesehen. Wann er zuschlagen würde, war nur eine Frage der Zeit.

Bei befreundeten Geheimdiensten machte ein Foto die Runde. Es war von einem CIA-Agenten in der paraguayischen Stadt Ciudad del Este in dem berüchtigten Dreiländereck Südamerikas gemacht worden. Es zeigte einen arabisch aussehenden Mann, groß, kräftig gebaut, mit einem Libanesen, der angeblich Verbindungen zum internationalen Dschihadismus hatte, auf der Terrasse eines Cafés. Der ungünstige Aufnahmewinkel verhinderte den Einsatz von Software zur Gesichtserkennung. Aber für Gabriel, der selten scharfe Augen besaß, war dieser Mann Saladin. Zwei Tage vor dem schlimmsten Terroranschlag auf amerikanischem Boden seit dem 11. September hatte er Saladin mit eigenen Augen in der Halle des Hotels Four Seasons in Washington, D. C., gesehen. Gabriel wusste, wie Saladin aussah, wie er roch, wie die Luft reagierte, wenn er einen Raum betrat oder verließ. Und er wusste, wie Saladin ging. Wie sein Namensvetter hinkte er stark: als Folge einer Verletzung durch Bombensplitter, die in einem Haus mit vielen Zimmern und Innenhöfen in der Nähe von Mossul im Nordirak unter primitiven Umständen behandelt worden war. Dieses Hinken war jetzt sein Markenzeichen. Die äußere Erscheinung eines Mannes ließ sich auf vielerlei Weise verändern; Haare konnten geschnitten oder gefärbt werden, Gesichtszüge ließen sich operativ korrigieren. Aber ein Hinken wie Saladins blieb ewig.

Wie er's geschafft hatte, aus den USA zu flüchten, wurde intensiv diskutiert, und alle Versuche, ihn erneut aufzuspüren, waren fehlgeschlagen. Berichten nach sollte er in Asunción, Santiago oder Buenos Aires gesehen worden sein. Es gab sogar ein Gerücht, er habe in Bariloche, dem bei NS-Kriegsverbrechern so beliebten argentinischen Wintersportort, Zuflucht gefunden. Diese Idee verwarf Gabriel sofort. Trotzdem konnte er sich vorstellen, Saladin halte sich irgendwo öffentlich sichtbar auf und plane dort seinen nächsten Anschlag. Davon war er sogar überzeugt.

Seit dem kürzlichen Anschlag in Washington mit seinen zerstörten Gebäuden und Denkmälern und der katastrophalen Opferzahl war Saladin als das neue Gesicht des islamischen Terrors etabliert. Aber was plante er als Nächstes? In einem seiner letzten Interviews, bevor er aus dem Amt schied, behauptete der US-Präsident, Saladin könne kein ähnlich großes Unternehmen mehr planen, weil das US-Militär sein früher so effizientes Netzwerk zerschlagen habe. Saladins Antwort bestand daraus, dass er einem Selbstmordattentäter befahl, sich vor der US-Botschaft in Kairo in die Luft zu sprengen. »Peanuts«, konterte das Weiße Haus. Nur ein halbes Dutzend Tote, kein Amerikaner unter den Opfern. Die Verzweiflungstat eines Mannes auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Vielleicht, aber es gab noch weitere Angriffe. In der Türkei schlug Saladin anscheinend nach Belieben zu – Hochzeiten, Busse, öffentliche Plätze, der belebte Flughafen Istanbul –, und seine Gefolgsleute in Westeuropa, die seinen Namen fast andächtig sprachen, verübten als Einzeltäter eine Serie von Attentaten, die eine Spur des Todes durch Frankreich, Belgien und Deutschland zogen. Zugleich war zu ahnen, dass etwas Großes bevorstand: ein koordiniertes Unternehmen, ein spektakulärer Terroranschlag, der es mit dem in Washington würde aufnehmen können.

Aber wo? Ein weiterer Anschlag auf die USA erschien wenig wahrscheinlich. Bestimmt, sagten die Experten, würde der Blitz nicht zweimal an derselben Stelle einschlagen. Letzten Endes war die Stadt, die Saladin für seinen nächsten Auftritt wählte, für niemanden eine Überraschung, vor allem nicht für berufsmäßige Terroristenjäger. Trotz seiner Geheimhaltungssucht liebte Saladin das Rampenlicht. Und wo hätte er eine bessere Bühne finden können als im Londoner West End?

CHAPTER 2

ST. JAMES'S, LONDON

Vielleicht stimmt es tatsächlich, dachte Julian Isherwood, während er beobachtete, wie der Wind unter dem fast schwarzen Himmel dichte Regenschleier vor sich hertrieb. Vielleicht ist unser Planet wirklich kaputt. Ein Hurrikan in London – und noch dazu Mitte Februar! Für solche Verhältnisse war Isherwood, der groß und schlaksig war, nicht gut gewappnet. Im Augenblick hatte er im Eingang seines Stammlokals – Wiltons Restaurant in der Jermyn Street – Zuflucht gesucht. Er schob den Ärmel seines Regenmantels zurück und sah stirnrunzelnd auf seine Armbanduhr. Schon 19.40 Uhr; er war zu spät dran. Er suchte die Straße nach einem Taxi ab. Natürlich war keines zu sehen.

Aus der Bar des Wiltons drang halbherziges Lachen, dann war der dröhnend laute Bariton des dicklichen Oliver Dimbleby zu hören. Das Wiltons war jetzt das Stammlokal einer kleinen Gruppe von Kunsthändlern, die auf alte Meister spezialisiert waren und ihre Galerien in den verwinkelten Gassen von St. James hatten. Früher war Green's Restaurant & Oyster Bar in der Duke Street ihr Favorit gewesen, aber das Green's hatte nach Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft, die den riesigen Londoner Immobilienbesitz der Königin verwaltete, schließen müssen. Das war symptomatisch für die Veränderungen in diesem Viertel und der Londoner Kunstwelt insgesamt. Altmeister waren völlig aus der Mode. Die heutigen Sammler, mit sozialen Medien und Apps für iPhones über Nacht zu Geld gekommene globale Milliardäre, interessierten sich nur für moderne Kunst. Selbst die Impressionisten waren allmählich passé. Seit Neujahr hatte Isherwood nur zwei Gemälde verkauft. Beide Durchschnittsware, Schule von soundso, in der Manier von soundso. Oliver Dimbleby hatte seit einem halben Jahr nichts mehr verkauft. Auch Roddy Hutchinson nicht, der als der aggressivste Londoner Kunsthändler galt. Aber sie versammelten sich allabendlich im Wiltons an der Bar, um einander zu versichern, der Sturm werde sich bald legen. Allein Julian Isherwood glaubte nicht daran, sondern fürchtete mehr denn je das Gegenteil.

Er hatte schon früher schlimme Zeiten erlebt. Seine englische Erscheinung, seine englische Eleganz und sein urenglischer Name tarnten die Tatsache, dass er eigentlich gar kein Engländer war. Gewiss, er hatte einen britischen Pass in der Tasche, aber er war als Kind deutscher Juden in Frankreich aufgewachsen. Nur eine Handvoll verlässlicher Freunde wusste, dass Isherwood 1942 als unbegleitetes Flüchtlingskind nach London gelangt war, nachdem zwei baskische Hirten ihn über die verschneiten Pyrenäen getragen hatten. Oder dass sein Vater, der bekannte Pariser Galerist Samuel Isakowitz, mit seiner Frau im Todeslager Sobibór ermordet worden war. Obwohl Isherwood die Geheimnisse seiner Vergangenheit sorgfältig hütete, hörte der israelische Geheimdienst von seiner dramatischen Flucht aus dem von den Deutschen besetzten Europa. Und als es Mitte der siebziger Jahre zahlreiche palästinensische Anschläge auf israelische Einrichtungen in Europa gab, war er als Sajan, als freiwilliger Helfer, angeworben worden. Isherwood hatte nur einen einzigen Auftrag ausgeführt: Er hatte mitgeholfen, einen jungen Restaurator und Berufskiller namens Gabriel Allon mit einer glaubhaften Legende auszustatten und sie aufrechtzuerhalten. In den letzten Jahren hatten ihre Karrieren sich bemerkenswert unterschiedlich entwickelt. Als Direktor des israelischen Geheimdiensts war Gabriel jetzt einer der mächtigsten Spione der Welt. Und Isherwood? Der stand leicht angeheitert in der Jermyn Street im Eingang von Wiltons Restaurant, fröstelte im Westwind und wartete auf ein Taxi, das nie kommen würde.

Er sah erneut auf seine Armbanduhr. 19.43 Uhr. Weil er keinen Schirm bei sich hatte, hielt er sich seine alte lederne Aktentasche über den Kopf und hastete zum Piccadilly hinüber, wo er nach weiteren fünf Minuten im Regen dankbar auf den Rücksitz eines Taxis sank. Er nannte dem Fahrer eine ungefähre Adresse – sein wahres Ziel zu nennen wäre ihm zu peinlich gewesen – und sah sorgenvoll auf die Uhr, als das Taxi in Richtung Piccadilly Circus kroch. Dort bog es auf die Shaftesbury Avenue ab und erreichte um Punkt acht Uhr die Charing Cross Road. Damit war Isherwood für seine Reservierung offiziell zu spät dran.

Vermutlich hätte er anrufen und sagen sollen, er sei aufgehalten worden, aber damit hätte er riskiert, dass das Restaurant seinen Tisch anderweitig vergab. Dabei hatte er einen Monat lang betteln und Leute bestechen müssen, um überhaupt einen zu bekommen. Isherwood hatte keine Lust, das alles mit einem panikartigen Anruf aufs Spiel zu setzen. Außerdem war Fiona vielleicht schon da. Das gehörte zu den Dingen, die Isherwood am meisten an Fiona Gardner schätzte: Sie war pünktlich. Außerdem gefielen ihm ihr blondes Haar, ihre blauen Augen, ihre langen Beine und ihre sechsunddreißig Jahre. Im Augenblick fand er tatsächlich nichts, was ihm an Fiona nicht gefiel – und nur deshalb hatte er sich intensiv um einen Tisch in einem Restaurant bemüht, in das er normalerweise keinen Fuß gesetzt hätte.

(Continues…)


Excerpted from "Der Drahtzieher"
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