Vollendet - Die Flucht: Band 1

Vollendet - Die Flucht: Band 1

Vollendet - Die Flucht: Band 1

Vollendet - Die Flucht: Band 1

eBook1. Auflage (1. Auflage)

$9.99 

Available on Compatible NOOK Devices and the free NOOK Apps.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

Sie sagen, dass du weiterlebst. Sie lügen.
Connor, 16 Jahre alt und ständiger Unruhestifter, hat es längst geahnt, doch nun steht es fest: Er soll umgewandelt werden. Seine Eltern haben seinen Körper vollständig zur Organspende freigegeben. Und zwar nicht erst nach seinem Tod. Sondern sofort.
Risa ist in einem Waisenhaus aufgewachsen und darf nicht länger auf Kosten des Staates leben. Auch sie soll umgewandelt werden.
Als ihre Wege sich unerwartet treffen, müssen Connor und Risa sich blitzschnell entscheiden - Flucht oder Umwandlung? Können sie dem System entkommen, das Jagd auf Menschen wie sie macht?
Band 1 der brisant-brillanten »Vollendet«-Serie

Product Details

ISBN-13: 9783733651039
Publisher: Fischer Sauerländer
Publication date: 07/20/2018
Series: Vollendet , #1
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 480
File size: 2 MB
Age Range: 14 Years
Language: German

About the Author

About The Author

Neal Shusterman, geboren 1962 in Brooklyn, ist in den USA ein Superstar unter den Jugendbuchautoren. Er studierte in Kalifornien Psychologie und Theaterwissenschaften. Alle seine Romane sind internationale Bestseller und wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem National Book Award.


Neal Shusterman, geboren 1962 in Brooklyn, ist in den USA ein Superstar unter den Jugendbuchautoren. Er studierte in Kalifornien Psychologie und Theaterwissenschaften. Alle seine Romane sind internationale Bestseller und wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem National Book Award.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Connor

»Du kannst dich verstecken«, sagt Ariana. »Wer so clever ist wie du, hat gute Chancen, bis achtzehn zu überleben.«

Connor ist sich da nicht so sicher, aber wenn er in Arianas Augen blickt, verfliegen seine Zweifel, wenigstens für einen Moment. Ihre Augen sind von einem tollen Violett, mit grauen Einsprengseln. Sie macht jede Mode mit, lässt sich immer die neuesten Pigmente spritzen, sobald sie in sind. Connor hat sich für so etwas nie interessiert. Seine Augenfarbe ist noch immer so, wie sie von Anfang an war – braun. Nicht einmal tätowieren ließ er sich, als er klein war, wie die vielen anderen Kinder. Die einzige Farbe auf seiner Haut kommt von der Sommersonne, aber jetzt im November ist die Bräune längst verblasst. Er will nicht daran denken, dass er nie wieder einen Sommer erleben wird. Wenigstens nicht als Connor Lassiter. Nicht zu fassen, dass ihm mit sechzehn Jahren sein Leben genommen werden soll.

In Arianas violetten Augen glitzern Tränen, die ihr über die Wangen kullern, wenn sie blinzelt. »Es tut mir so leid, Connor.« Sie nimmt ihn in den Arm, und einen Moment lang scheint alles in Ordnung, als wären sie beide die einzigen Menschen auf der Welt. In diesem Augenblick kommt sich Connor unbesiegbar und unangreifbar vor ... aber sie lässt ihn los, der Augenblick ist vorbei, und die Welt um ihn herum kehrt zurück. Die Autobahn unter ihm vibriert, wenn Autos vorbeifahren, deren Insassen nicht wissen oder die es nicht kümmert, dass er hier sitzt. Und er ist einfach wieder ein Junge eine Woche vor der Umwandlung.

Die leisen, hoffnungsvollen Worte, die Ariana ihm zuflüstert, helfen nicht mehr. Er kann sie kaum verstehen wegen des lärmenden Verkehrs. Über diesen Ort, an dem sie sich vor der Welt verkriechen, schütteln Erwachsene den Kopf, dankbar, dass ihre eigenen Kinder nicht so dumm sind, auf dem Sims einer Autobahnüberführung herumzulungern. Für Connor geht es nicht um Dummheit, nicht einmal um Aufbegehren, sondern darum, das Leben zu spüren. Hier auf diesem Sims, verborgen hinter einem Schild mit der Aufschrift »Ausfahrt«, fühlt er sich wohl. Klar, ein falscher Schritt und er klebt auf dem Asphalt. Doch das Leben am Abgrund ist für Connor nichts Neues.

Kein anderes Mädchen hat er jemals mit hierhergebracht, aber das hat er Ariana nicht erzählt. Er schließt die Augen und spürt die Vibrationen des Verkehrs, als würden sie zu ihm gehören und durch seine Venen pulsieren. Hier konnte er immer Abstand gewinnen, wenn er mit seinen Eltern gestritten hatte oder einfach gefrustet war. Jetzt geht es nicht mehr um Frust, und auch nicht um Streit mit seiner Mom oder seinem Dad. Es gibt nichts mehr, worüber sie streiten könnten. Seine Eltern haben die Verfügung unterzeichnet; die Sache ist beschlossen.

»Lass uns abhauen«, sagt Ariana. »Ich hab so genug von allem. Von meiner Familie, von der Schule, einfach von allem. EA – und nicht mehr zurückschauen.«

Connor denkt darüber nach. Die Vorstellung, das ganz allein durchzuziehen, erschreckt ihn. In der Schule gibt er sich ziemlich cool, als hätte er vor nichts und niemandem Angst, aber alleine abhauen? Hätte er den Mut dazu? Doch wenn Ariana mitkäme, wäre das etwas anderes. Dann wäre er nicht allein. »Meinst du das ernst?«

Ariana schaut ihn mit ihren magischen Augen an: »Na klar. Natürlich meine ich das ernst. Ich würde mitkommen – wenn du mich darum bittest.«

Das bedeutet viel. Zusammen mit einem Wandler abzuhauen ist echte Hingabe. Dass sie das tun würde, rührt ihn. Weil er keinen Ton herausbringt, küsst er sie. Und trotz allem, was in seinem Leben gerade passiert, kommt er sich auf einmal vor wie der glücklichste Junge der Welt. Er umarmt sie, vielleicht ein bisschen zu fest, denn sie sträubt sich. Da will er sie noch fester halten, aber er unterdrückt den Drang und lässt sie los. Sie lächelt ihn an.

»EA ... Was heißt das überhaupt?«, fragt sie.

»Das ist ein alter Ausdruck aus dem Militär oder so«, sagt Connor. »EA steht für ›eigenmächtig abwesend‹.«

Ariana denkt darüber nach und grinst. »Hmmm, vielleicht eher für ›einfach abhauen‹.«

Connor nimmt ihre Hand und bemüht sich sehr, sie nicht zu fest zu drücken. Sie hat gesagt, sie würde mit ihm gehen, wenn er sie fragt. Erst jetzt merkt er, dass er das eigentlich noch gar nicht getan hat.

»Willst du mit mir kommen, Ariana?«

Ariana nickt lächelnd: »Ja, klar will ich.«

Arianas Eltern mögen Connor nicht. Er kann sie förmlich hören: »Wir haben schon immer gewusst, dass er irgendwann umgewandelt wird. Du hättest dich nie mit diesem Lassiter-Jungen einlassen sollen.« Für sie war er nie »Connor«, sondern nur »dieser Lassiter-Junge«. Sie glauben, sie dürften über ihn urteilen, weil er immer mal wieder in Erziehungsanstalten war.

Trotzdem bringt er Ariana an diesem Nachmittag fast bis zur Haustür und versteckt sich hinter einem Baum, während sie hineingeht. Bevor er sich auf den Weg nach Hause macht, kommt ihm der Gedanke, dass es für sie beide bald alltäglich sein wird, sich zu verstecken.

Zuhause.

Wie kann er diesen Ort Zuhause nennen, wenn er daraus entfernt werden soll – nicht nur aus seinem Zimmer, sondern auch aus den Herzen derer, die ihn eigentlich lieben sollten?

Sein Vater sitzt im Sessel und schaut Nachrichten, als Connor hereinkommt.

»Hi, Dad.«

Sein Vater zeigt auf ein Blutbad auf dem Bildschirm. »Klatscher. Schon wieder.«

»Was haben sie diesmal in die Luft gejagt?«

»Einen Old-Navy-Laden im Akroner Einkaufszentrum.«

»Hmmm«, murmelt Connor. »Man sollte eigentlich meinen, sie hätten einen besseren Geschmack.«

»Ich finde das nicht besonders lustig.«

Connors Eltern ahnen nicht, dass ihr Sohn von seiner bevorstehenden Umwandlung weiß. Eigentlich wollten sie es vor ihm geheim halten, aber er war schon immer gut darin, Geheimnisse aufzuspüren. Als er vor drei Wochen auf dem Schreibtisch seines Vaters einen Tacker gesucht hatte, waren ihm Flugtickets für die Bahamas in die Hände gefallen. Über Thanksgiving wollten sie alle gemeinsam Urlaub machen. Aber Connor fand nur drei Tickets – für seinen Vater, für seine Mutter und für seinen jüngeren Bruder. Kein Ticket für ihn. Zuerst vermutete er es irgendwo anders, aber je länger er darüber nachdachte, desto verdächtiger kam ihm die ganze Sache vor. Deshalb schaute er ein bisschen genauer nach, als seine Eltern mal nicht zu Hause waren. Und da fand er die Umwandlungsverfügung. Sie war ganz altmodisch in dreifacher Ausfertigung unterzeichnet worden. Die weiße war schon weg, bei den Behörden. Die gelbe würde Connor bis zu seinem Ende begleiten, und die pinkfarbene würde bei seinen Eltern bleiben, als Beweis dafür, was sie getan hatten. Vielleicht würden sie sie einrahmen und neben das Foto von seinem ersten Schultag hängen.

Die Verfügung war auf den Tag vor dem Abflug auf die Bahamas datiert. Er würde abgeholt und umgewandelt werden, während seine Familie in die Ferien fuhr, um sich abzulenken. Vor lauter Ungerechtigkeit hätte Connor am liebsten etwas zerschlagen. Am aller liebsten hätte er sehr viel zerschlagen, aber er beherrschte sich. Ausnahmsweise zügelte er seinen Zorn, und abgesehen von ein paar Schlägereien in der Schule, in die er mehr oder weniger unverschuldet geriet, behielt er seine Gefühle für sich. Und auch sein Wissen. Eine Umwandlungsverfügung ist unumkehrbar, schreien und toben würde rein gar nichts ändern. Außerdem verlieh es Connor sogar eine gewisse Macht, dass er das Geheimnis seiner Eltern kannte. Zum Beispiel als er seiner Mutter Blumen mitbrachte, und sie danach stundenlang weinte. Oder die Zwei plus im Chemietest – die beste Note, die er je in Chemie geschrieben hatte. Er reichte den Test seinem Vater, der ganz bleich wurde, als er ihn sah. »Schau mal, Dad, meine Noten werden besser. Bis zum Ende des Schuljahrs schaffe ich vielleicht sogar noch eine Eins in Chemie.«

Eine Stunde später saß sein Vater im Sessel, den Test immer noch umklammert, und starrte mit leerem Blick an die Wand.

Connors Beweggründe waren einfach: Sie sollten leiden. Sie sollten ihr Leben lang daran denken, was für einen schrecklichen Fehler sie begangen hatten.

Aber auch jetzt, nachdem er ihnen das drei Wochen lang vor Augen geführt hat, geht es ihm nicht besser. Seine Rache verschafft ihm keine Genugtuung. Im Gegenteil, seine Eltern tun ihm leid, und er hasst sich für solche Gefühle.

»Habt ihr schon gegessen?«

Sein Vater wendet den Blick nicht vom Fernseher. »Deine Mutter hat dir was hingestellt.« Connor geht in Richtung Küche, aber auf halbem Weg hört er: »Connor?«

Er dreht sich um. Sein Vater schaut ihn an. Er schaut ihn nicht nur an, sondern starrt geradezu.

Jetzt sagt er's mir, denkt Connor. Jetzt sagt er mir, dass sie mich umwandeln lassen, und dann bricht er in Tränen aus und beteuert, wie schrecklich leid es ihm tut. Und dann würde Connor die Entschuldigung vielleicht sogar annehmen. Vielleicht würde er ihm sogar vergeben und ihm sagen, dass er nicht zu Hause sein würde, wenn die JuPos ihn abholten.

Aber dann sagt sein Vater nur: »Hast du abgeschlossen?« »Mach ich gleich.«

Connor schließt die Haustür ab und geht in sein Zimmer. Der Hunger, auf was immer seine Mutter für ihn aufgehoben hat, ist ihm vergangen.

Um zwei Uhr morgens zieht sich Connor schwarze Sachen an und packt die Dinge in seinen Rucksack, die ihm etwas bedeuten. Danach hat er immer noch Platz für genug Kleidung zum Wechseln. Er ist überrascht, wie wenige Gegenstände er wirklich mitnehmen möchte. Hauptsächlich sind es Erinnerungen an eine Zeit, bevor alles so falsch gelaufen ist zwischen ihm und seinen Eltern. Zwischen ihm und dem Rest der Welt.

Connor späht vorsichtig zu seinem Bruder hinein, überlegt kurz, ob er ihn wecken soll, um sich zu verabschieden, verwirft den Gedanken aber gleich wieder. Leise schlüpft er in die Nacht hinaus. Sein Fahrrad kann er nicht nehmen. Er hat eine Peilsender-Diebstahlsicherung eingebaut. Damals konnte er ja nicht damit rechnen, dass er es vielleicht selber einmal stehlen würde. Ariana hat Fahrräder für sie beide.

Normalerweise braucht Connor zu Fuß zwanzig Minuten bis zu Arianas Haus. Aber in Ohio verlaufen die Straßen in den Vororten nie ganz gerade, deshalb nimmt er den direkten Weg durch den Wald und ist in zehn Minuten da.

Das Haus ist dunkel. Das hat er erwartet. Ihre Eltern wären misstrauisch geworden, wenn Ariana die ganze Nacht aufgeblieben wäre. Besser, sie tut so, als ob sie schläft. Connor hält Abstand zum Haus. Die Lampen im Garten und auf der vorderen Veranda haben Bewegungsmelder und schalten sich ein, wenn sich in ihrem Umfeld etwas rührt. Das soll wilde Tiere und zwielichtige Gestalten abschrecken. In den Augen von Arianas Eltern trifft beides auf Connor zu.

Er holt sein Handy heraus und wählt Arianas Nummer. Von seinem Standort im dunklen hinteren Teil des Gartens hört er es in ihrem Zimmer klingeln. Connor legt rasch auf und zieht sich noch weiter ins Dunkle zurück, falls ihre Eltern aus dem Fenster schauen. Was sollte das denn? Wieso hat sie ihr Handy nicht auf Vibration gestellt?

Connor schlägt einen großen Bogen um den Garten, immer auf Distanz zu den Bewegungsmeldern. Ein Licht leuchtet zwar auf, als er die vordere Veranda betritt, aber nur Arianas Zimmer hat ein Fenster in diese Richtung. Ein paar Augenblicke später kommt sie zur Tür, öffnet sie aber nicht weit genug, dass sie heraus oder er hinein gehen könnte.

»Hi, bist du fertig?«, fragt Connor. Offensichtlich nicht: Sie trägt einen Morgenmantel über ihrem Satinpyjama.

»Hast du es etwa vergessen?«

»Nein, nein, ich hab's nicht vergessen ...«

»Dann beeil dich! Je schneller wir hier wegkommen, desto mehr Vorsprung haben wir.«

»Connor«, sagt sie, »die Sache ist ...«

Und die Wahrheit liegt in ihrer Stimme, darin, wie schwer es ihr fällt, nur seinen Namen auszusprechen, an dem entschuldigenden Zittern, das wie ein Echo in der Luft schwebt. Sie muss nichts weiter sagen, er weiß Bescheid, aber er lässt sie dennoch reden. Denn es fällt ihr schwer, und er möchte, dass es ihr schwerfällt. Es soll ihr schwerer fallen als alles, was sie je im Leben getan hat.

»Connor, ich würde wirklich gern abhauen, echt? ... Aber gerade jetzt ist es total schlecht. Meine Schwester heiratet, und du weißt ja, ich bin Trauzeugin. Und dann die Schule.«

»Du hasst die Schule. Du hast gesagt, du schmeißt sie, sobald du sechzehn bist.«

»Ich hab gesagt, ich lege eine Befreiungsprüfung ab«, sagt sie. »Das ist was völlig anderes.« »Dann kommst du nicht mit?«

»Ich würde gerne, echt ... Aber ich kann nicht.«

»Also war alles, worüber wir gesprochen haben, gelogen?«

»Nein«, sagt Ariana. »Es war ein Traum. Die Wirklichkeit ist dazwischengekommen. Das ist alles. Und abhauen löst keine Probleme.«

»Abhauen ist der einzige Weg, mein Leben zu retten«, zischt Connor. »Ich soll umgewandelt werden, falls du das vergessen hast.«

Sie berührt sanft sein Gesicht. »Ich weiß. Aber ich nicht.«

Da geht oben an der Treppe ein Licht an, und Ariana schiebt die Tür reflexartig noch ein Stück weiter zu.

»Ari?«, hört Connor ihre Mutter. »Was ist los? Was machst du an der Tür?«

Connor tritt ein paar Schritte zurück, um außer Sicht zu sein, und Ariana dreht sich zur Treppe um. »Nichts, Mom. Ich dachte, ich hätte einen Kojoten gesehen, und wollte sichergehen, dass die Katzen nicht draußen sind.«

»Die Katzen sind oben, Liebes. Mach die Tür zu, und geh wieder ins Bett.«

»Ein Kojote bin ich also«, murmelt Connor.

»Pssssst.« Ariana schließt die Tür bis auf einen schmalen Spalt. Er sieht nur noch die Konturen ihres Gesichts und ein violettes Auge. »Du schaffst es, ich weiß, dass du es schaffst. Ruf mich an, wenn du in Sicherheit bist.« Dann drückt sie die Tür ins Schloss.

Connor bleibt noch eine ganze Weile stehen, bis das Licht ausgeht. Allein zu sein war nicht Teil des Plans gewesen, aber schließlich dämmert ihm, dass es so richtig ist. Seit seine Eltern dieses Papier unterzeichnet haben, ist er allein.

Mit Bus oder Bahn kann er nicht fahren. Genügend Geld hätte er, aber vor dem frühen Morgen fährt nichts, und da werden sie schon an allen Stationen und Haltestellen nach ihm suchen. Ständig hauen irgendwelche Wandler ab, und es gibt ganze Teams von JuPos, die hinter ihnen her sind. Im Aufspüren von Flüchtlingen sind sie mittlerweile ziemlich perfekt.

In einer Großstadt könnte er untertauchen, dort gibt es so viele Menschen, dass man nie dasselbe Gesicht zweimal sieht. Oder auf dem Land, wo es nur wenige Menschen gibt, die dazu noch weit voneinander entfernt leben; er könnte sein Lager in einer alten Scheune aufschlagen, und niemand würde auf die Idee kommen, dort nach ihm zu suchen. Andererseits hat die Polizei diese Möglichkeit garantiert auch auf dem Schirm. Wahrscheinlich hat sie jede alte Scheune in eine Mausefalle verwandelt, die zuschnappt und Jugendliche wie ihn fängt. Vielleicht leidet er auch an Verfolgungswahn. Nein, seine Situation rechtfertigt jede Vorsicht – nicht nur heute Nacht, sondern die nächsten zwei Jahre. Mit achtzehn ist Connor in Sicherheit. Danach können sie ihn natürlich ins Gefängnis stecken und ihm den Prozess machen, aber sie dürfen ihn nicht mehr umwandeln. Jetzt muss er nur noch so lange überleben ...

Unten an der Autobahn ist ein Rastplatz, auf dem Lastwagenfahrer übernachten können. Da geht Connor hin. Vielleicht kann er hinten auf die Ladefläche eines Sattelschleppers schlüpfen. Aber er stellt rasch fest, dass die Fahrer ihre Ladung unter Verschluss halten. Er verwünscht sich, weil er das nicht bedacht hat. Vorausplanen war noch nie seine Stärke. Sonst wäre er nicht in die Situationen geraten, die ihm in den letzten Jahren Probleme gemacht und ihn als »schwierig« oder »gefährdet« und schließlich als »Wandler« abgestempelt haben.

Ungefähr zwanzig Lastwagen parken auf dem Rastplatz, außerdem gibt es einen hell erleuchteten Imbiss, in dem vielleicht ein Dutzend Fahrer sitzt. Es ist halb vier am Morgen. Offenbar haben Lastwagenfahrer ihre eigene biologische Uhr. Connor beobachtet die Umgebung und wartet. Gegen Viertel vor vier biegt ein Streifenwagen der Polizei in den Rastplatz ein, ohne Blaulicht und Sirenen. Langsam umkreist er den Platz wie ein Hai. Connor will sich gerade verstecken, als ein zweiter Streifenwagen folgt. Alles ist hell erleuchtet, Connor findet keine dunkle Ecke. Wegrennen kann er auch nicht, im hellen Licht des Mondes wird er sofort gesehen. Der erste Streifenwagen dreht am anderen Ende des Rastplatzes um. Gleich werden seine Scheinwerfer Connor erfassen. In letzter Sekunde wirft er sich unter einen Lastwagen und betet, dass die Polizisten ihn nicht gesehen haben.

Langsam rollen die Räder des Streifenwagens an ihm vorbei. Auf der anderen Seite passiert der zweite Streifenwagen den Sattelschlepper in entgegengesetzter Richtung.

Vielleicht ist es nur eine Routinekontrolle. Vielleicht suchen sie ja gar nicht nach mir.

Je länger Connor darüber nachdenkt, desto überzeugter ist er. Sie können noch gar nicht wissen, dass er abgehauen ist. Sein Vater schläft wie ein Stein, und seine Mutter schaut nachts nicht mehr nach ihm.

Trotzdem patrouillieren die Streifenwagen nach wie vor über den Parkplatz.

(Continues…)


Excerpted from "Vollendet Die Flucht"
by .
Copyright © 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr.
Excerpted by permission of S. Fischer Verlag.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

• Widmung,
• Motto,
• Charta des Lebens,
• Teil eins In dreifacher Ausfertigung,
1. Connor,
2. Risa,
3. Lev,
4. Connor,
5. Polizist,
6. Lev,
7. Connor,
8. Risa,
• Teil zwei Gestorcht,
9. Mutter,
10. Risa,
11. Connor,
12. Risa,
13. Lev,
14. Connor,
15. Lev,
16. Lehrerin,
17. Risa,
18. Lev,
19. Connor,
20. Risa,
• Teil drei Transit,
21. Lev,
22. Risa,
23. Connor,
24. Risa,
25. Connor,
• Teil vier Ziele,
26. Pfandleiher,
27. Connor,
28. Risa,
29. Lev,
30. Cy-Ty,
31. Lev,
• Teil fünf Friedhof,
32. Admiral,
33. Risa,
34. Connor,
35. Lev,
36. Risa,
37. Emby und Admiral,
38. Kids,
39. Roland,
40. Connor,
41. Kids,
42. Risa,
43 Wütende Kids,
44. Connor,
45. Wütende Kids,
46. Connor,
47. Assistenzärztin,
48. Risa,
49. Roland,
50. Connor,
• Teil sechs Umgewandelt,
51. Camp,
52. Risa,
53. Connor,
54. Lev,
55. Risa,
56. Connor,
57. Lev,
58. Connor,
59. Roland,
60. Ernte,
61. Roland,
62. Lev,
63. Wachmann,
64. Connor,
65. Klatscher,
• Teil sieben Bewusstsein,
66. Connor,
67. Risa,
68. Lev,
69. Wandler,
• Dank,
• Bonuskapitel,
• Der Widersacher,
1. Siebzehn,
2. Acht,
3. Siebzehn,
4. Elf,
5. Siebzehn,
6. Dreizehn,
7. Siebzehn,
8. Dreizehn,
9. Siebzehn,
10. Dreizehn,
11. Siebzehn,

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews